Samstag, 9. Januar 2016

Warum habe ich als Mutter (plötzlich) das Gefühl, perfekt sein zu müssen?

Perfektionismus – dieses Wort hat sehr lange Zeit gar keine Rolle in meinem Leben gespielt. In meinen Schränken war Chaos, ich hatte nie einen Ordner für meine Unterlagen und manchmal lagen auf dem Boden sogar Hundehaare. Ich kam wirklich immer ein paar Minuten zu spät und hab alles auf den letzten Drücker gemacht. Jedes Jahr an Heiligabend bin ich losgezogen um die letzten Geschenke zu besorgen. Ich hatte immer Bügelwäsche auf dem immer aufgebauten Bügelbrett – gebügelt wurde nur unmittelbar vor dem Anziehen. Manchmal habe ich gewaschene Wäsche 2 Tage in der Waschmaschine vergessen. Mein Auto war immer dreckig und unaufgeräumt und mein kleiner Chihuahua eine „gestörte Bestie“ (liebevoll gemeint, er ist immer noch mein kleiner Schatz). Ich wusste dass ich nicht perfekt bin, dass ich jeden Tag Fehler mache – aber es hat mich überhaupt nicht  gestört. Und andere komischerweise auch nicht. Ganz im Gegenteil: Ich bin damit ziemlich gut durchs Leben gekommen, habe alles gemacht worauf ich Lust hatte, und war auch in Ansätzen erfolgreich. Meine Arbeit wurde immer wertgeschätzt und ich habe es sogar geschafft während meiner Vollzeitstelle plus Nebenjob noch ein Studium zu absolvieren.
Dann wurde ich schwanger – und schon in dieser Zeit fing ich auf einmal an pünktlich zu sein. Das war die erste Veränderung und es wurde immer schlimmer. Als meine Tochter auf die Welt gekommen ist, hatte ich urplötzlich das Gefühl alles perfekt machen zu müssen. Ich wollte trotzdem jeden Abend mit meinem Partner bis zwölf Uhr Zeit verbringen (also eine perfekte Partnerin sein), jeden Staubkorn sofort beseitigen (eine perfekte Hausfrau sein), alles im Umgang mit meinem Baby richtig machen (eine perfekte Mutter sein) und zu dem auch immer frisch geduscht, geschminkt mit lackierten Fingernägeln und einem gut angezogenen Baby an der Tür erscheinen (eine perfekte Frau sein). Das ging ganze 6 Wochen „gut“, dann bin ich mit Schwindel im Krankenhaus gelandet und musste danach – Gott sei Dank – ein paar viele Gänge runterschalten. Seit dem arbeite ich ständig daran, von diesem Perfektionismus wieder runter zu kommen, und statt dessen Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl für mich und meine Tochter und uns insgesamt als Familie aufzubauen – zu unserem ganz persönlichen Weg zu stehen und zu akzeptieren, dass keiner von uns perfekt ist. Denn leider habe ich mit diesem Perfektionismus nicht nur Druck auf mich selbst sondern auch unbewusst auf mein Baby/Kleinkind ausgeübt. Das arme Ding wurde schon ein paar Tage nach der Geburt in hübsche Kleidchen gesteckt und sollte sich doch bitte so verhalten wie ich oder andere es für richtig empfunden haben - was wiederum natürlich auch nicht immer übereinstimmte und so direkt wieder zum nächsten Problem führte. Dementsprechend unentspannt war dann leider unser gemeinsamer Start. Es wurde zwar Schritt für Schritt besser, aber meine Tochter musste schon stark unter diesem Perfektionismus leiden. Meine Tochter hatte z.B. oft Probleme den Tag zu verarbeiten und ist nachts stundenlang wach gewesen. Oder hat Stunden geschrien um einzuschlafen. Ich habe da sehr drunter gelitten weil das für mich irgendwie nicht richtig war. Es passte nicht in mein Bild eines "perfekten Familienalltags" und ich hatte den Drang das irgendwie zu „bereinigen“, wusste aber nicht wie. Und natürlich habe ich auch die Schuld bei mir gesucht (okay, ganz unschuldig daran war ich wahrscheinlich wirklich nicht, aber das tut jetzt nichts zur Sache). Erst als ich angefangen habe es einfach zu akzeptieren und für meine Tochter da zu sein, wurde es für uns beide erträglicher - und sogar besser. Natürlich passiert es auch heute manchmal noch, aber das ist für keinen von uns ein Problem mehr. 
Ich dachte auch, meine Tochter müsste immer und sofort hören, sich also "perfekt" verhalten. Hat sie nicht sofort reagiert bin ich aufgesprungen und habe die Situation „bereinigt“. Als sie etwas älter war, habe ich sofort eine Konsequenz angedroht und diese auch relativ zügig umgesetzt Weil ich dachte dass das von einer perfekten Mutter so erwartet wird. Gebracht hat das im Enddefekt gar nichts, meine Tochter hört nämlich wenn überhaupt nur wenn ich eine Konsequenz androhe. Und fordert ständig ihre Grenzen. Das einzige was ich dadurch erzeugt habe war eine aggressive Grundstimmung bei mir und eine grundsätzliche Abwehrhaltung meiner Tochter mir gegenüber. Seit ein paar Monaten arbeite ich aber daran, dass wir von diesem Level wieder runter kommen - und es zeigen sich auch erste Erfolge. Zeitgleich arbeite ich auch an meiner Achtsamkeit, nehme ein bisschen die Geschwindigkeit aus unserem Leben. Auch das tut mir, meiner Tochter und unserer Beziehung sehr gut. Und ist hoffentlich eine gute Grundlage für einen entspannteren Start für uns alle, wenn Ende März Tochter Nr. 2 das Licht der Welt erblickt.
So unwichtig also das Wort Perfektionismus mal in meinem Leben war, umso mehr Bedeutung hatte es in den letzten 2 Jahren. Aber wir sind auf einem guten Weg und Hey, Nobody is Perfect - jeder macht Fehler und das ist auch gut so.

Danke an den Aufruf zu dieser Blogparade zum Thema Perfektionismus von Glucke und So. Es hat mir Spaß gemacht über meine Fehler zu schreiben und so noch einen weiteren Schritt in Richtung „unperfekt“ zu machen.

2 Kommentare:

  1. Hi,
    vielen Dank fürs Mitmachen und ja einige Dinge passen da auch sehr gut zu mir. Dieser Perfektionismus ist einfach blöd. Ich versuche auch ihn einfach mal zur Seite zu schieben. Ich wünsche Dir eine schöne Restschwangerschaft.
    Liebe Grüße
    Dani von Glucke und So

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